Der Seriellen Sanierung gehört die Zukunft
Susanne Weidelt ist Architektin und Energie-Effizienz-Designerin bei IPROconsult. Seit Jahren verantwortet sie die Energieberatung des Generalplaners und entwickelt jetzt die Serielle Sanierung für das Unternehmen. Was es damit auf sich hat und wozu ein ‚Energiesprong‘ gut ist, erklärt sie im Interview in unserer Projekte + Akteure Ausgabe 36/2023.
Frau Weidelt, was macht eine Energie-Effizienz-Designerin?
Wir entwickeln den Gebäudeentwurf und die Gestaltung aus einem Energiekonzept heraus. Man könnte sagen: ‚Form follows Energy‘. Bisher fragten nicht viele Bauherren das Thema an – doch das wandelt sich gerade im Zuge der Energiekrise, dem Ausstieg aus fossilen Brennstoffen und dem Baustoffmangel. Insgesamt stellen wir ein wachsendes Bewusstsein für Nachhaltigkeit bei den Bauherren fest: Sie entscheiden nicht mehr nur monetär, sondern auch verantwortungsvoll.
Welchen Nutzen haben Kunden, die Energieeffizienz voranstellen?
Sie haben auf jeden Fall geringere Betriebskosten, weil die Gebäude mit einer besseren Dämmung und effizienter Anlagentechnik ausgestattet sind, weniger Energie verbrauchen, vielleicht sogar mittels Sonnenkraft Energie selbst herstellen. In Kombination mit einer Nachhaltigkeitszertifizierung steigt die Qualität der Gebäude merklich. Zunehmend wollen private Bauherren und die Öffentliche Hand nach außen zeigen: Wir tun wirklich etwas für die Umwelt und betreiben kein Greenwashing.
Ihren Bereich bezeichnet man intern auch als ‚Energiezelle‘. Was hat es damit auf sich?
Schon 2013 hatte ich die Idee für die Energiezelle, also eine in sich funktionierende Einheit innerhalb der IPROconsult, in der Energieberatung und Nachhaltigkeitsthemen vorangetrieben werden. Denn als Generalplaner gehört auch diese Leistung dazu. Wir sind im ganzen Haus vernetzt und arbeiten beispielsweise mit Kollegen in Hochbau, Statik und Technischer Ausrüstung zusammen. Unser aller Ziel ist es, Gebäude nicht nur mit wenigen Energiekennzahlen zu bewerten, sondern ganzheitlich den CO2-Fußabdruck zu verringern.
Beim Neubau funktioniert das meist problemlos – in der Sanierung wird es schwieriger. Wo sehen Sie die Zukunft der energetischen Sanierung?
Bisher wird eine Sanierung im Altbau jedes Mal von Neuem individuell geplant. Um kürzere Sanierungszeiten zu erreichen und einen Kostenvorteil zu erzielen, brauchen wir industriell vorgefertigte Module beispielsweise für Fassade und Dach. Hier gehen wir den Schritt zur Seriellen Sanierung: Wir entwickeln einen Baukasten für Sanierungsmodule und digitalisieren den Planungsprozess. Unser Ziel ist es, dass wir die Parameter des Gebäudes aus der Energieberatung vorn eingeben und hinten die optimale Modulkonfiguration herauskommt.
Welche Vorteile sehen Sie bei der Seriellen Sanierung?
Die industrielle Fertigung bringt auf jeden Fall eine höhere Qualität und niedrigere Kosten, da nicht der gesamte Planungsprozess durchlaufen werden muss, sondern die Module aus dem Baukasten für das jeweilige Gebäude konfiguriert werden. Zudem müssen auf der Baustelle nur noch wenige Gewerke aktiv werden, wenn ein vorgefertigtes Fassadenelement bereits Dämmung, Luftdichtheitsebene, Verkleidung, Fenster und Sonnenschutz enthält. Es muss nur noch vor die bestehende Fassade gesetzt, das alte Fenster ausgebaut und die Laibung angepasst werden. Wir denken aktuell auch Lösungen für Dächer und die Anlagentechnik. TGA-Module sollen die Heizungszentrale beinhalten oder die Lüftungsanlage. Damit ist eine Sanierung trotz Fachkräftemangel möglich – ebenso wird die Sanierung im laufenden Betrieb oder mit Bewohnern vereinfacht. Für den Anfang bieten sich für die Serielle Sanierung beispielsweise die Typenbauten der 70er und 80er Jahre an – von Schulen bis zu Wohngebäuden, weil hier bereits wiederkehrende Strukturen vorhanden sind und großer Handlungsbedarf besteht. Da die Bauordnungen der Bundesländer bereits geändert wurden, ist auch ein Holzbaumodul in den Gebäudeklassen 4 und 5 unproblematisch.
Für Sanierungen gibt es Mittel aus der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG). Wie sind Ihre Erfahrungen?
Seit 2020 läuft die BEG mit stetigen Novellen. Der erste Effekt war der Anstieg der Nachfrage bei der Energieberatung. Seit 2023 liegt der Fokus der BEG-Mittel auf der Sanierung, um die Sanierungsquote zu erhöhen. Beispielsweise gibt es jetzt für ‚Worst Performance Buildings‘, also das energetisch schlechteste Viertel der Bestandsgebäude, zusätzlich zu den Zuschüssen in Abhängigkeit vom energetischen Niveau eine zehnprozentige Förderung auf die Sanierungskosten und noch einmal 15 Prozent on top bei Serieller Sanierung. Sowohl die Förderung als auch die Vorteile der Seriellen Sanierung sind jedoch in weiten Teilen der Bauwirtschaft noch nicht bekannt. Die Öffentliche Hand beginnt aktuell zaghaft mit ersten Ausschreibungen in die richtige Richtung: Man will ein Stück Sanierung auf einen definierten Energiestandard. Gesucht werden dann Komplettanbieter für alle Leistungen von der Bestandsaufnahme bis zur Bauabnahme. IPROconsult kann das heute schon leisten. Aktuell sind wir deshalb auf der Suche nach Pilotprojekten, an denen wir die Vorteile der Seriellen Sanierung nachweisen können. Die DENA bietet für Bauherren eine umfassende Beratung und Begleitung, so dass für Pilotprojekte Tür und Tor offenstehen.
Wo sehen Sie die Grenzen der Seriellen Sanierung?
Diese Methode ist nicht geeignet für Gebäude, die unter Denkmalschutz stehen. Die Baudenkmäler wollen wir erhalten und nicht einpacken. Aber denkmalgeschützte Gebäude machen ja nur einen kleinen Teil aus. Die meisten der nach dem Krieg errichteten Bauten sind jedoch für die Serielle Sanierung geeignet. Die ersten umgesetzten Pilotprojekte zeigten mithilfe des ‚Energiesprong-Prinzips‘, wie Serielle Sanierung funktionieren kann. Auch IPROconsult ist als Generalplaner in der Lage, Module als Baukasten zu entwickeln, mit Hilfe von BIM die Planung zu automatisieren und eine Serielle Sanierung als Komplettanbieter durchzuführen. An einem ersten Pilotprojekt werden wir energetische serielle Sanierung mit gestalterischem Anspruch verbinden.
Wie bekannt ist das Energiesprong-Prinzip?
Das Denken in dieser Richtung fängt gerade erst an. Mit der DENA arbeiten wir aktuell daran, die Bekanntheit zu steigern und Pilotprojekte in Deutschland umzusetzen. IPROconsult hat bereits beim Einsatz der Methode BIM bewiesen, dass wir als ‚First Mover‘ und effizient arbeitender Generalplaner im Markt einiges bewirken können. Dem Energiesprong-Prinzip gehört nach meiner Einschätzung die Zukunft, lassen sich doch hiermit die Sanierungsquoten zum Erreichen der Klimaziele steigern. Diese Ziele können wir mit herkömmlicher Sanierung nicht erreichen. Mit unserem Geschäftsbereichsleiter Architektur, Danyel Pfingsten, bin ich mir einig: Die Sanierung von Gebäuden wird sich rapide verändern. Jetzt ist vor allem der Mut der Bauherren gefordert.
Wir werden Sie bei Ihrem Pilotprojekt vorgehen?
Zuerst werden wir eine Machbarkeitsstudie erstellen. Diese wird vom BAFA gefördert und bildet die Basis für die Serielle Sanierung. Der Hersteller der Module wird hier bereits mit im Boot sein. Mit ihm gemeinsam entwickeln wir unter Einsatz der Methode des Building Information Modeling die nötigen Module, die dann für die eigentliche Sanierung einfach miteinander kombiniert werden können. Mit unserem Wissen aus der Generalplanung, aus etlichen Sanierungsvorhaben, dem Holzbau, aus Energieberatungen und Digitalisierungsprojekten bündeln wir unheimlich viele Kompetenzen, die uns die Entwicklung eines Produktes für die serielle Sanierung mit Alleinstellungsmerkmal ermöglichen. Der Zeiteinsatz zur Entwicklung im Pilotprojekt rentiert sich in den Folgeprojekten mehrfach, wenn Kosten und Sanierungszeit gegenüber der konventionellen Sanierung erheblich sinken. Mit einem Bauherrn, der offen für Neues ist und Innovationsbewusstsein mitbringt, können wir ein Zeichen setzen für Energieeffizienz, Klimaschutz und den Wandel im Gebäudesektor.
Vielen Dank für diese Ein- und Ausblicke, Frau Weidelt. //
Das Interview führte Dominik Schilling.