Pilotprojekt: BIM im Wasserbau
Planungen nach der Methode BIM (Building Information Modeling) gehören heute im Hochbau zum Alltag. Im Tiefbau und seinen verwandten Gewerken hat sich das modellbasierte Planen noch nicht etabliert. Bei der Modernisierung von Wehr und Schleuse in Alt-Schadow im Spreewald wurde jetzt ein erstes Projekt im Wasserbau nach BIM in 3D geplant. Dieser Pilot wird den Tief- und Wasserbau beim Generalplaner in eine neue Dimension führen.
Neue Schleuse für Alt-Schadow
Am Neuendorfer See südöstlich von Berlin hat der Wassertourismus nicht nur Tradition, sondern ist auch von großer wirtschaftlicher Bedeutung. Ein Bestandteil davon ist die Schleusenanlage mit Nadelwehr in Alt-Schadow, die 1912 errichtet und Anfang der 1990er Jahre instandgesetzt wurde. Größere, nicht mehr reparable Schäden schränkten zuletzt die Betriebsfähigkeit ein. Um die Schiffbarkeit dennoch aufrecht zu erhalten, wurden provisorische Holztore für die Schleuse hergestellt, eingebaut und seit 2019 genutzt. Die Größe der Schleusenanlage verschärfte das immer öfter auftretende Niedrigwasser im Neuendorfer See durch den zusätzlichen Wasserverlust beim Schleusen. Eine neue Schleuse sollte daher deutlich kleiner und damit auch öfter nutzbar sein. Die ARGE, bestehend aus der PTW Planungsgemeinschaft Tief- und Wasserbau und IPROconsult am Standort Berlin, erhielt den Zuschlag für die Planungen zur Modernisierung der Anlage.
Schleuse, Wehr und Fischaufstiegsanlage
Seit Sommer 2020 planten die Ingenieure um Projektleiter Torsten Richter von der PTW und seinen Stellvertreter Holger Haas, Abteilungsleiter Wasserbau bei IPROconsult, den Ersatzneubau von Schleuse und Wehr sowie einer neuen Fischaufstiegsanlage. Als Ende 2021 die interne Entscheidung für eine Planung nach der Methode BIM als Pilotprojekt fiel, stieß Elke Plischke zum Team. Mit Unterstützung von BIM-Manager Christoph Großmann und anderen erfahrenen Anwendern der Methode gelang es ihr in kurzer Zeit, Objekte und Familien in Bibliotheken anzulegen und das Projekt nach der Methode BIM innerhalb eines Jahres bis zur Genehmigungsplanung voranzutreiben. Die Visualisierungen in diesem Beitrag sind ein Ergebnis dieser Teamarbeit.
Weniger Fehler, mehr Transparenz
Gefragt nach den Vorteilen einer Planung in 3D nach der Methode BIM erklären Holger Haas und Elke Plischke: Die Fehlerquote sei deutlich geringer, weil alle Pläne aus einem gemeinsamen 3D-Modell kommen. Auch die Kosten- und Mengenermittlung werde genauer. Alle am Projekt Beteiligten hätten jederzeit einen guten Überblick und könnten Defizite und Schwachstellen schnell erkennen. Kollisionen und Schnittstellen würden durch das Modell schnell sichtbar. Der stellvertretende Projektleiter unterstreicht zudem den Vorteil der zentralen, Cloud-basierten Ablage, so dass alle Mitarbeitenden beider Planungsbüros auf dieselben Daten zugreifen und parallel arbeiten können. BIM biete somit ein Modell für alle – vom Auftraggeber bis zum Zeichner. Nötige 2D-Pläne lassen sich leicht aus dem dreidimensionalen Modell generieren. Elke Plischke ergänzt: „Außerdem macht es nach überwundenen Anfangsschwierigkeiten einfach Spaß, nach der Methode BIM zu arbeiten.“
Effizient und leicht nachvollziehbar
Die aus dem Modell generierten Visualisierungen erlaubten den Projektbeteiligten und dem Auftraggeber, dem Wasser- und Bodenverband „Nördlicher Spreewald“, konstruktiv und effizient an den Lösungen zu arbeiten. Zudem machten sie das Projekt auch für Laien schneller nachvollziehbar. Dies erleichterte Gespräche mit Anwohnern, half aber auch bei der Diskussion der Denkmalschutzbelange mit verschiedenen Behörden. So steht das mehr als 100 Jahre alte Nadelwehr ebenso wie die Schleuse unter Denkmalschutz. Wegen des möglichen Eisdrucks im Winter und der Gefahren beim Setzen der Nadeln für das Bedienpersonal entsprach dieses jedoch nicht mehr den heutigen technischen Anforderungen sowie den Arbeitsschutzverordnungen. Anhand der Visualisierungen der Vorher- und Nachher-Situation konnten Kompromisslösungen diskutiert und gefunden werden.
BIM im Wasserbau lohnt sich
Geplant ist jetzt ein zweifeldriges Schlauchwehr ohne Bediensteg, eine Fischaufstiegsanlage zur Erfüllung der Wasserrahmenrichtlinie sowie eine ortstypische teilautomatisierte Schiffschleuse. „Viele Belange waren bei diesem Projekt zu koordinieren“, erklärt Haas. „Biosphärenreservat und Naturschutz, Denkmalschutz und Bürgerbeteiligung sowie die wasserwirtschaftliche Situation bei Niedrigwasser machten das Projekt zu einem Komplexbauwerk von fast 50 Metern Gesamtbreite.“ Elke Plischke ist sich sicher: „Es lohnt sich auf jeden Fall, die Methode BIM im Wasserbau weiterzuentwickeln und zukünftig in den Planungen einzusetzen.“